Erfurt, 21. Mai 2014
Die Arbeit von Sozialarbeiter*innen und Kindheitspädagog*innen ist von hoher gesellschaftlicher Relevanz. Auch in den nächsten Jahren wird der Bedarf an Fachkräften für die Arbeitsbereiche der Kindheitspädagogik und der Sozialen Arbeit ungebrochen hoch sein. Trotzdem wirkt sich der postulierte Fachkräftemangel bislang kaum im Sinne einer Verbesserung von Arbeitsbedingungen aus. Vielmehr wirken Rationalisierungs-, Ökonomisierungs- und Aktivierungsstrategien darauf hin, dass sich die Anforderungen an Fachkräfte erhöhen. Neben der Anerkennung durch gutes Einkommen und Beschäftigungsstabilität brauchen die Mitarbeiter*innen Rahmenbedingungen, die dazu beitragen, Arbeitsbelastungen sowie Personalausfälle und -wechsel zu reduzieren. Das wirkt sich nicht nur auf das Wohlbefinden der Beschäftigten aus, sondern dient der Sicherung fachlich guter Arbeit im Sinne der Adressat*innen sozial- und kindheitspädagogischer Angebote.
Aus diesem Grund fordern wir mit dieser Erklärung von Politik und Arbeitgebern in Thüringen:
Schluss mit dem Missbrauch des Subsidiaritätsprinzips
Staatliche Leistungen im sozial- und kindheitspädagogischen Bereich werden vielfach durch freie Träger erbracht. Die Entscheidung, ob und welcher freie Träger welche Aufgabe übernimmt, muss Regularien unterliegen, die eine Vergabe nach qualitativen Kriterien sicherstellt und den Einfluss rein fiskalischer Überlegungen für eine Trägerschaft minimiert. Es muss verhindert werden, dass in Verfahren der Anbieter gewinnt, welcher mit den niedrigsten Kosten und damit regelmäßig den niedrigsten Personalkostenansatz operiert. Es ist zu prüfen, welche privaten Dienste wieder in kommunale Trägerschaft zu überführen sind. Die derzeit gängige Praxis erfolgt zu Lasten der Arbeitnehmer*innen. Diesen Missbrauch zu beenden ist Aufgabe vor allem der Kommunalpolitik.
einen umfassenden Tarifvertrag Erziehung und Soziales
Wir fordern einen umfassenden Branchentarifvertrag Erziehung und Soziales. Dieser soll sich an den Regelungen des Tarifvertrages des öffentlichen Sozial- und Erziehungsdienstes orientieren. Damit kann der Dumpinglohn-Wettbewerb auf den Rücken der Beschäftigten insgesamt in der Sozialwirtschaft unterbunden werden. Weiterhin fordern wir, dass Kindheitspädagog*innen als eigenständige Berufsgruppe in diesen Tarifvertrag aufgenommen und entsprechend ihrer Hochschulqualifikation anerkannt werden. Wir fordern die großen Wohlfahrtsverbände (Arbeiterwohlfahrt, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie, Caritas) und die DGB Gewerkschaften VERDI und GEW auf, einen solchen Vertrag auszuhandeln und zu unterschreiben. Von der Politik erwarten wir diesen Vertrag für allgemeinverbindlich zu erklären und bei der Vergabe sozialer Dienstleistungen Tariftreue durch ein Tariftreuegesetz zur Bedingung zu machen.
die Reduzierung von befristeten Anstellungen und unfreiwilliger Teilzeit
In sozialen Berufen sind mehr als ein Drittel aller Angestellten atypisch beschäftigt. Befristungen mit kurzen Vertragslaufzeiten schaffen Unsicherheiten und begrenzen Berufsperspektiven. Unfreiwillige Teilzeit mindert die Chance auf ein existenzsicherndes Einkommen. Öffentliche Träger sind aufgefordert, verlässliche Finanzierungsaussagen zu treffen und grundständige Aufgaben des Sozialen nicht durch Projektförderung abzusichern. Anstellungsverträge im Rahmen von Projekten sind für die gesamte Förderdauer abzuschließen. Die Option auf eine Vollzeitbeschäftigung darf nicht der flexiblen Organisation von Personalressourcen zum Opfer fallen. Arbeitsverträge dürfen nicht an die Jährlichkeit öffentlicher Haushalte gekoppelt sein.
verbindliche Personalbemessungsquoten
Die Hälfte aller Beschäftigten in sozialen Berufen nennen zu knappe Personalbemessung als zentralen Grund für hohen Zeit- und Termindruck. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Urlaubstage und Krankheitsausfallquoten sowie Vor- und Nachbereitung nicht angemessen in der Personalberechnung berücksichtigen werden. Im Ergebnis verzichten Beschäftigte auf Fort- und Weiterbildung und haben nicht ausreichend Zeit zur notwendige Vor- und Nachbereitung der Arbeit mit den Adressat*innen. Damit wird den Beschäftigten eine Grundlage für qualitativ zufriedenstellende Arbeit entzogen. Gute Arbeit braucht eine angemessene Personalbemessung aufgrund wissenschaftlicher und fachlicher Erkenntnisse. Wir fordern die Revision bestehender Quoten und eine bedarfsgerechte Personalbemessung. Hierfür sind verbindliche Qualitätsstandards zu entwickeln und gesetzlich zu verankern.
eine begleitete Berufseinstiegsphase
Wie Sozial- und Kindheitspädagog*innen den Einstieg in die Berufstätigkeit erleben und bearbeiten ist elementar für ihr weiteres professionelles Selbstverständnis und für den Transfer vom theoretischen Wissen in praktisches Können. Unbezahlte Praktika sind dafür ungeeignet. Wir fordern eine professionelle Begleitung im Rahmen der Berufseinstiegsphase. Das schafft die Voraussetzungen junge Fachkräfte bei ihrer beruflichen Sozialisation angemessen zu unterstützen.
gute Rahmenbedingungen für die Bearbeitung professioneller Herausforderung
Pädagogische und soziale Arbeit mit Menschen erfordert ein permanentes Sich-einlassen der Professionellen auf die Lebenswelt und –entwürfe ihrer Adressat*innen, ihre mitunter existenziellen Probleme und individuellen Bedürfnisse. Daraus ergeben sich für Sozialarbeiter*innen und Kindheitspädagog*innen professionsinhärente Belastungen, die sie nur für eine begrenzte Anzahl an Adressat*innen und mit professioneller Unterstützung bewältigen können. Wir fordern daher die Begrenzung der Fallzahlen bzw. die Verbesserung der Fachkraft-Kind-Relation. Außerdem müssen ausreichend Zeit und Ressourcen für die kollegiale Fallberatung, Netzwerkarbeit und Supervision sowie die Einarbeitung von neuen Kolleg*innen und die regelmäßige Anleitung von Praktikant*innen zur Verfügung gestellt werden.
eine der Tätigkeit angemessene sächliche Ausstattung der Arbeitsplätze
Sowohl räumliche, materielle (z.B. Diensthandy, Kopierkosten usw.) als auch immaterielle Arbeitsmittel (z.B. Fortbildungen), welche für die Ausübung der dienstlichen Aufgaben erforderlich sind, müssen von den Arbeitgeber*innen zur Verfügung gestellt bzw. finanziert werden. Diese Selbstverständlichkeit ist heute häufig nicht der Fall.