Freie Träger als Lohndumping-Schraube?

Wovor das Thüringer Bündnis für gute Arbeit bereits im Mai 2014 gewarnt hat, wird ein Jahr später vom Kommunalen Arbeitgeberverband Thüringen e. V. (KAV) offen propagiert: Im Zuge der aktuellen Tarifverhandlungen betont der KAV die niedrigen Lohnkosten bei Einrichtungen in freier Trägerschaft. Dies ist ein klarer Aufruf zum Missbrauch des Subsidiaritätsprinzips.

Im Zug der Entscheidung der Erzieherinnen und Erzieher in Thüringen im Rahmen der aktuellen Tarifverhandlungen von ihrem Streikrecht Gebrauch zu machen, sichert die Landeselternsprecherin der Thüringer Kindertagesstätten, Frau Sandy Kirchner, den Streikenden öffentlich ihr Verständnis und ihre Unterstützung zu. Als Reaktion darauf wendet sich der Kommunale Arbeitgeberverband Thüringen e. V. am 07. Mai 2015 an Frau Kirchner, um ihr eindringlich – und auf der Grundlage falscher Zahlen – von einer Unterstützung der Streiks abzuraten. Die Forderungen wären „völlig überzogen“ und würden zu Lasten der Eltern gehen, so der KAV. Er spricht von einer Erhöhung der Elternbeiträge „um bis zu 20%“. Fett gedruckt ist im Schreiben des KAV zu lesen, dass die „Erzieherinnen und Erzieher bei freien Trägern, wie z. B. der AWO … deutlich weniger [verdienen] als Erzieherinnen und Erzieher des öffentlichen Dienstes“ und behauptet, dass die Gewerkschaften kein Interesse daran hätten, sich für die Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort einzusetzen. Implizit wird hier der Adressatin zu verstehen gegeben, dass die Einrichtungen von freien Trägern vor allem eines sind: Eine kostengünstige Alternative zur kommunalen Kita und eine potentielle Lösung im Tarifstreit.

Mit der Erfurter Erklärung, die das Thüringer Bündnis für gute Arbeit in der Sozialen Arbeit und der Kindheitspädagogik am 21. Mai 2014 verabschiedet hat, wurden kommunale Träger aufgefordert sich in der Vergabe von Einrichtungen nicht von fiskalischen Überlegungen leiten zu lassen. Qualitative Kriterien sollten im Mittelpunkt stehen, wenn es um die Frage geht, welcher Träger eine Aufgabe am besten bewältigen kann. „Es muss verhindert werden, dass in Verfahren der Anbieter gewinnt, welcher mit den niedrigsten Kosten und damit regelmäßig dem niedrigsten Personalkostenansatz operiert“, so die Erfurter Erklärung.

In einem Brief hat sich damals die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege von dieser Einschätzung distanziert. Sie schrieb dem Thüringer Bündnis am 22.10.2014: „In der unter der Überschrift ‚Schluss mit dem Missbrauch des Subsidiaritätsprinzips‘ enthaltenen Behauptung, dass (…) die Entscheidung, welcher freie Träger Kindertageseinrichtungen übernommen hat, nicht fachlich sondern aus rein fiskalischen Überlegungen geleitet war, widersprechen wir vehement“.

Das aktuelle Schreiben des KAV an den Landeselternverband spricht hier eine andere Sprache. In ihm werden die Kommunen als Opfer der Gewerkschaften stilisiert, während sich die freien Träger fröhlich dem Lohndumping hingeben könnten. Als Reaktion darauf sollten die freien Träger klare Signale setzen. Zum Beispiel indem sie sich deutlich von den Äußerungen des KAV distanzieren – oder indem sie den TVÖD für ihre Einrichtungen übernehmen und so gar nicht in die Verlegenheit kommen können, als Sparschwein der Kommune missbraucht zu werden oder fachliche Standards dem Konkurrenzdruck zu opfern. Es ist nicht hinnehmbar, dass der kommunale Arbeitgeberverband so unverhohlen seine Bereitschaft erklärt, wirtschaftliches Outsourcing auf der Grundlage fachgesetzlicher Vorgaben (Subsidiaritätsprinzip: SGB VIII§ 4) zu betreiben.

Frau Kirchner von der Landeselternvertretung hat übrigens mit einer fundierten Richtigstellung auf das Schreiben des KAV reagiert und ihn aufgefordert, „den Erzieher_innen ein angemessenes Angebot zu unterbreiten“. Im Namen der streikenden Kolleginnen und Kollegen bedanken wir uns für die Solidarität der Eltern mit den Arbeitnehmenden im aktuellen Tarifstreit.

Barbara Lochner & Susanne Paton
Sprecher*innen des Bündnisses

Hintergrundinformationen:

http://www.tlev-kita.de/2015/05/offener-brief-an-den-kommunalen-arbeitgeberverband-thueringen-e-v/

Kurzmitteilung

ErzieherInnen verdienen unsere Unterstützung!

Das Thüringer Bündnis „Gute Arbeit in der Sozialen Arbeit und der Kindheitspädagogik“ unterstützt die Streiks der ErzieherInnen in Kindertageseinrichtungen. Dass die Anforderungen im Bereich der früh-kindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung gestiegen sind, ist gesellschaftlicher Konsens. Längst geht es nicht mehr nur um „Aufbewahrung“ der Kinder, während die Eltern arbeiten gehen. Um das leisten zu können, brauchen die MitarbeiterInnen gute Rahmenbedingungen. Ein Einkommen, von dem man leben kann, gehört dazu. Bislang verdienen ErzieherInnen in Thüringen durchschnittlich etwa 1.350 Euro netto – wenn sie zu den 25% der Beschäftigten gehören, die in Vollzeit arbeiten. Neben dem niedrigen Einkommen stellt die sogenannte „unfreiwillige Teilzeit“ ein großes Problem für die Beschäftigten dar. Daran muss sich etwas ändern, um langfristig die Betreuungsbedarfe junger Familien qualitativ hochwertig gewährleisten zu können, ohne dass die einzelne Erzieherin dafür an ihre persönlichen Grenzen gehen muss. Schon jetzt wandern viele PädagogInnen nach der Ausbildung nach Hessen oder Bayern ab, weil dort der Fachkräftebedarf hoch und die Beschäftigungsbedingungen besser sind.
In den aktuellen Tarifverhandlungen fordern die Gewerkschaften Anpassungen in den Eingruppierungen der Fachkräfte und Lohnerhöhungen bis zu 10%. Klingt viel? Klingt fair!
Das sehen auch die über 1.500 UnterstützerInnen des Bündnisses für Gute Arbeit so. „Die Eltern, mit denen wir über die Belange der Pädagoginnen und Pädagogen gesprochen haben, waren bisher immer sehr verständnisvoll und für das Anliegen der Fachkräfte aufgeschlossen. Sie sehen, was die Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen täglich leisten und wollen schon im Interesse ihrer Kinder zufriedenstellende Arbeitsbedingungen“, so Barbara Lochner, eine der Sprecherinnen des Bündnisses. Dafür wären viele bereit, Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen. Für manche Eltern ergeben sich durch drohende Streiks allerdings akute Betreuungsprobleme und dafür müssen praktikable und unkomplizierte Lösungen gefunden werden. Gerade weil es den KollegInnen darum geht, ihre Forderungen nicht auf dem Rücken der Schwächsten der Gesellschaft auszutragen, streiken PädagogInnen eher selten und werden jetzt durch die einseitige Thematisierung ihres Arbeitskampfes als Betreuungsproblem eingeschüchtert. Deshalb ist es wichtig, dass die Zivilgesellschaft ihre Solidarität ausdrückt – im Gespräch mit den PädagogInnen, in Beiträgen zur öffentlichen Diskussion und in der gemeinsamen Suche nach Lösungen für Betreuungsengpässe während des Streiks.
Barbara Lochner & Susanne Paton
Sprecher*innen des Bündnisses